Sonntag, 26. Juli 2015

Von der Normalität

Anfangs eine Randerscheinung, sich entwickelnd zu einem Trend verstehe und sehe ich den Veganismus heute in einem anderen Licht. Es ist normal geworden und gehört zum Umfeld, zur Gesellschaft. Selbstredend wird noch hinterfragt und in Frage gestellt warum man denn so lebe. Wir bekommen weiterhin erklärt, wie wenig unser Gegenüber das könnte, es aber uns respektiert für die konsequente Umsetzung unserer Ideale. Soweit so gewöhnlich. Ich treibe seit drei Jahren intensiv Sport und habe 25% meines Körpergewichtes verloren, man kann sich vorstellen, dass ich auch hier immer wieder gesagt bekomme ich sei zu extrem, zu konsequent und mein Gegenüber kann es im Regelfall nicht nachvollziehen, weshalb ich mich so "quäle" und "einschränke" in dem ich gesund ernähre.

Immer ähnlicher werden die Diskussionen und Unterhaltungen meinen Veganismus betreffend, schematisch den Diskussionen meinen Sport betreffend. Ich führe es darauf zurück, dass es heute keine außergewöhnliche Sache ist, vegan zu leben. Jedoch weiterhin die Konsequenz des eigenen Handelns bewundert / kritisiert wird. Wir sind zu einer Normalerscheinung geworden und längst nicht mehr so eine Subkultur wie es sich jedoch einige noch wünschen. Veganer werden kaum noch aktiv aus der Gesellschaft abgegrenzt, vielmehr grenzen sich ein paar wenige selbst aktiv sehr stark von der Gesellschaft ab. 

Was ich sehr gut nachvollziehen kann, denn der Schritt hin zum veganen Leben wird oft begleitet mit einer neu entdeckten Empathie gegenüber allem Lebenden. Die meisten vegan lebenden Menschen empfinden Mitgefühl für alle Lebewesen um sie herum. Wesentlich mehr und intensiver als sie es vor ihrem Schritt hin zum Veganismus getan haben. Diese Empathie erfüllt viele mit einer unglaublichen inneren Zufriedenheit und Ausgeglichenheit. Sie hat aber auch ihre Schattenseite: Man wird wütend auf die Gesellschaft und die Menschen, denen es an besagtem Mitgefühl mangelt. So wütend und traurig, dass man sich am liebsten aus der Gesellschaft ausschließen und für sich leben möchte. Dies macht es auch zunehmend anstrengender mit unseren Mitmenschen konstruktiv zu diskutieren. Oft fühlt man sich als kämpfe man gegen Windmühlen. 

Dabei ist es kein Kampf im eigentlichen Sinn. Zumindest nicht für mich. Ich verstehe meine Verantwortung darin, meinen Mitmenschen, Mitarbeitern und Kollegen vorzuleben, wie normal es ist ein Veganer zu sein und wie wenig man sich deshalb ausgrenzen muss. Bewusstsein und Verständnis schafft man durch Kontinuität und nicht durch vehemente Missionierung. Ich adressiere hier nicht die wichtigen und notwenigen Demonstrationen, die wir benötigen um auf Missstände aufmerksam zu machen. Ich adressiere hier aber sehr wohl all jene, die ihr Umfeld allgegenwärtig mit ihrer veganen Message drangsalieren. Auch wenn es schwer ist, wir erreichen damit in den allermeisten Fällen mehr Ablehnung als Verständnis. Und ja, es ist auch schwer auszuhalten, wenn man weiß was unser Gegenüber konsumiert, nicht sofort aufzuklären. Doch diese Aufklärung wird dann als Belehrung aufgefasst und niemand lässt sich gerne belehren. 

Verständnis, eine überlegte Zurückhaltung, das souveräne Leben und das ausdauernde Beantworten von Fragen unserer interessierten Mitmenschen sorgen langfristig dafür, dass man uns immer stärker als normale Mitmenschen wahrnimmt. Das wiederum sorgt für ein senken der Hemmschwelle die viele daran hindert sich konstruktiv mit dem Veganismus zu befassen.

Es droht aber auch die Gefahr an all dem zu verzweifeln. An den Schmerzen die es uns bereitet, zu wissen was alltäglich lebenden Wesen angetan wird. An dem Wissen ob unserer Machtlosigkeit gegenüber dieser gewaltigen Todes-Maschinerie. An dem Widerstand, den wir von unseren Nächsten aber auch von der Gesellschaft insgesamt erfahren. Und schlussendlich auch an der boshaften Dummheit einiger.

Doch, macht euch bewusst, dass unser Einfluss und unsere Möglichkeiten das alles zu ändern nicht so unbedeutend sind wie sie uns oft scheinen. Wir hinterlassen alle einen Eindruck auf dieser Welt und in Summe ist dieser ein enormer Eindruck. Wir sind mehr als nur der Anfang einer großen Veränderung. Und mir gibt es Kraft zu sehen, welch positive Menschen um mich herum leben und wie ausdauernd diese ihren Weg gehen. Mich mit ihrem Verständnis und ihrem Wissen zu einem besseren Menschen machen und mir den Mut und die Kraft geben, diesen Weg genau so weiter zu gehen.

Empathie macht verletzlich und solche Freunde sind unser Schild in einem Kampf der kein Kampf ist, in einer Welt in der unsere Lebensweise normal geworden ist und längst nicht mehr absonderlich.

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